Bücher

Lebensläufe von 2022

Lebensläufe von Mireille Jautz und Stefan Krüger

Alle Bilder und Texte handeln von Menschen. Wir haben dabei bestehende Werke von uns ausgewählt und gegenübergestellt, die thematisch mal leichter, mal stärker eine Beziehung eingehen können. Auf diese Weise sind unsere Werke in der Lage, einander zu befruchten.
Wir glauben nämlich, dass auch für sich geschaffene Texte und Bilder eine Wechselwirkung eingehen können und dass so in den Augen der Leser*innen ein neues Werk entsteht. Dabei war es spannend für uns zu erfahren, wie es ist, wenn mal das Bild und mal der Text stärker in den Fokus rückt.
In die eine Richtung geblättert halten Sie einen Bilderkatalog mit Zitaten in der Hand, der gedreht zum bebilderten Lyrikband wird. Ganz neu und extra für diese Zusammenstellung entstanden meine Portraitausschnitte als Schwarz/Weiß/Grau Serie unter dem Titel REMIX während der Pandemie.

Weitere Lyrik von Stefan Krüger unter
www.stefankrueger.net

  • Das Buch enthält 57 Gedichte, 57 Bildtafeln, 57 Portraits
  • Auflage 57 Bücher
  • Gefördert vom Kulturamt Wiesbaden
  • Handsigniert und durchnummeriert von beiden Künstlern
  • Erscheinungsjahr 2022
  • 248 Seiten im hardcover
  • Für 57 Euro erhältlich inklusiv Versand
„‚Lebensläufe“ ist eine Gemeinschaftsarbeit,  in der sich Malerei/Zeichnungen von Mireille Jautz und Gedichte von Stefan Krüger aus einem längeren Zeitraum gegenüberstehen und dabei eine geniale Ergänzung zueinander bilden. Das Buch wirkt wie aus einem Guss.
Jeder ganzformatigen Darstellung entspricht ein passendes Gedichtzitat, jedem kompletten Gedicht ein Ausschnitt aus dem dazu passenden Bild. So wird meine Aufmerksamkeit immer wieder ganz gezielt auf Entsprechungen gelenkt, die ich im Gesamteindruck vielleicht nicht so leicht erkannt hätte.
„Lebensläufe“ steht für mich stets greifbar im Regal. Der hochwertig hergestellte Band ist immer wieder Anlass zu Freude und Bereicherung. Das Hin- und Herblättern der wechselnden Beiträge macht Spaß, regt an und gibt Rätsel auf, über die man lange nachdenken kann.
Ein wunderbares, durch und durch geniales Buch. Farb- und sprachgewaltig.“

Von Angesicht zu Angesicht:
Bildnisse im Werk von Mireille Jautz

Text von Miriam Olivia Merz

Es sind immer wieder Bilder von Menschen, mit denen sich Mireille Jautz seit über 20 Jahren in ihrem künstlerischen Schaffen auseinandersetzt. In ihren Arbeiten nimmt sie sich selbst, ihr unmittelbares Umfeld wie Familienangehörige und Freunde, aber auch ihr völlig unbekannte Personen in den Blick. Durch ihr gesamtes Werk ziehen sich menschliche Grundthemen wie Liebe, Sehnsucht, Glück, Schmerz, Schönheit, Natur, Traum und Vergänglichkeit. Eigene Fotografien, alte Familienfotos und zufällige Fundstücke der Alltagskultur sowie Ausschnitte aus Zeitschriften und Filmen bilden dabei die “Vorlagen“ für ihre Gemälde, Zeichnungen, Collagen und Druckgrafiken.
So entstand ab 2014 die Serie der „Linoleumdamen“ ausgehend von einem Trödelmarktfund. Passbildgroße schwarz-weiß-Aufnahmen von Frauen der 1930er Jahre, die als Sammelbildchen internationaler Schönheitsköniginnen von einer Zigarettenfabrik in Umlauf gebracht worden waren, inspirierten Mireille Jautz zu Linolschnitten und mehrfarbigen kontrastreichen Drucken. In der Reihe „Filmstiches“ verarbeitet die Künstlerin Fotografien besonderer Filmszenen (z.B. aus den zehn Wettbewerbsfilmen des Deutschen FernsehKrimi-Festival Wiesbaden im Jahr 2010) durch Montage zu etwas Neuem. Gesichter und einzelne Körperpartien der Dargestellten werden mittels blauer und schwarzer Tusche abgedeckt und verfremdet. Eingestickte Fäden heben einzelne Bereiche des Bildes betonend hervor und erinnern darin an sogenannte Stickkarten. Die Darstellung eines Einkaufswagens mit seiner prägnanten Form und Metallgitterstruktur bestimmt eindrücklich die überwiegend in Grün-schwarz-rot-Tönen gehaltene frühe Gemälde-Serie „Supermarkt“, in der er als wichtigstes Attribut von Menschen im Supermarkt thematisiert wird.
Diese und weitere seit 2000 geschaffene Serien stehen am Ausgangspunkt der Gruppe „REMIX“, die Mireille Jautz während der Pandemiezeit kreierte. Aus der Rückbesinnung auf eigene in unterschiedlichen Medien realisierte frühere Arbeiten entwickelte sie eine Gemälde-Serie, die jeweils Gesichtsausschnitte von bereits in ihren bisherigen Werken dargestellten Personen zeigt und neu interpretiert. Mireille Jautz‘ nähere Auseinandersetzung mit den ihr bereits vertrauten Menschen geht in der weiteren künstlerischen Umsetzung einher mit einer Konzentration und Fokussierung auf deren Gesichter. Die Nähe, die durch das Heranzoomen entsteht, wird zugleich wieder aufgehoben mittels Reduktion des Kolorits auf schwarz-, weiß- und grau-Töne und dem damit verbundenen Verfremdungseffekt. Über das Bildthema und die zurückgenommene Farbigkeit hinaus sind die rund 80 Gemälde der Serie ebenfalls in Format (20 x 20 cm) und in der Maltechnik (Acryl auf Papier) identisch. Indem Mireille Jautz auf bereits Vorhandenes zurückgreift, ihre eigenen Werke zitiert und offensichtlich mit dem Aspekt der Wiederholung als einem zentralen Prinzip künstlerischen Schaffens spielt, schafft sie nicht nur ein Gruppenporträt der in ihrem künstlerischen Kosmos versammelten Personen. Sie erzählt damit auch von der Hinterfragung ihrer eigenen Maxime als Künstlerin

 

Ahnen von 2018

von Mireille Jautz und Stefan Krüger

Vorahnung das vertraute Fremde in uns

Wir alle haben Vorfahren, Menschen, die uns vorangegangen sind. Wir wohnen in ihren Häusern, essen Erträge von Pflanzen, die sie einst anbauten, sprechen mit ihren Worten, denken ihre Ideen. Wir verdanken ihnen unsere Existenz – und kennen sie doch kaum. Unter allen Vorfahren nimmt der Ahn eine besondere Rolle ein. Er ist das Zentrum unserer Familie, das verbindende Moment zu unseren Blutsverwandten. In dem Wort Verwandtschaft steckt ‚wenden‘ in der Bedeutung ‚hinwenden, auf etwas hinweisen‘. Es bezeichnet im Ursprung also weniger den familiären Aspekt, sondern einen Personenkreis, dem wir zugewandt sind – und dies mit allen Konsequenzen. Einen Betrunkenen, der uns anbettelt, können wir getrost ignorieren. Doch was, wenn es sich dabei um einen Verwandten handelt? Was, wenn der eigene Cousin schreckliche Verbrechen begangen hat oder der Sohn oder die Mutter? Wir können zwar versuchen, uns abzuwenden; es wird uns jedoch nie vollkommen gelingen. Der Verstoß eines Verwandten hinterlässt eine Leerstelle in einem Kreis, die sich nicht mehr schließt und immer fühlbar bleibt. Denn Familie ist eine Einheit, die nicht auseinandergerissen werden kann. Zu groß ist die Anziehungskraft in ihrem Zentrum, das schwarze Loch, der Ahn. Er ist uns in der Regel unbekannt, ein blinder Fleck. Im besten Fall wird er durch ein paar Daten markiert: ein Name, ein Geschlecht, ein Geburts- und ein Sterbetag. Manchmal erlangte der Ahn Berühmtheit, und es wurde etwas mehr überliefert. Er war Politiker oder Künstler, Verbrecher oder Held. Dann gibt es ein beschriebenes Schicksal, das uns den Ahn ein wenig näherbringt, doch nie nah genug, um sein Wesen zu erkennen. Aber weil wir in direkter Linie von ihm abstammen, steht es uns frei, ihn zu erfinden; denn alles, was wir aus uns selbst schöpfen, schöpfen wir aus ihm. Zu Beginn des Jahres 2017 begannen wir mit dem gemeinsamen Projekt ‚tête à tête‘ und erfanden unsere Ahnen, zehn fiktive Vorfahren aus den letzten zehn Jahrhunderten. Wir teilten uns die Arbeit auf. Jeder hatte freie Hand bei der Erstellung von fünf kurzen Lebensläufen. Darauf brachten wir die Vorfahren zusammen und hatten bis zum Ende des Jahres Zeit, die jeweiligen Lebensgeschichten künstlerisch umzusetzen. Diese Arbeit geschah ohne gegenseitige Einflussname. Wir wussten nicht, was der andere schuf. Mireille Jautz brachte ihre Vorfahren in die Gegenwart. Es war ein Besuch auf Zeit, bei dem die fiktiven Ahnen unweigerlich die Züge der Künstlerin annehmen mussten. Stefan Krüger gab den Ahnen eine eigene Stimme und damit zwangsweise auch eine modernere Sprache, versuchte aber, sie aus ihrer Lebenswelt heraus sprechen zu lassen. Es war ein großer Moment für uns, als die bildenden und textlichen Umsetzungen zusammentrafen und die Ahnen zu unseren gemeinsamen Vorfahren wurden. Manche Werke greifen wie Puzzleteile ineinander. Andere lassen viel Spielraum zur Interpretation. In der Ausstellung am 28.01.2018 in Wiesbaden wurden Bild und Text jedes Vorfahren, die in diesem Band nebeneinander abgedruckt sind, in einem Kunstwerk vereint. Das Bild wurde in einen tiefen Rahmen eingebettet, der Text auf die Glasplatte mit einigem Abstand darüber gesetzt. Das Bild manifestierte sich zwischen den Zeilen des Textes, der Text wuchs aus den Farben des Bildes. Eines wurde durch die Kombination der Arbeiten offensichtlich: Die Werke harmonisieren miteinander und beziehen sich zusammen unzweifelhaft auf eine einzige Person. Es sind unsere gemeinsamen Ahnen. Obwohl wir die Vorfahren nicht kannten, sondern erfanden, sind wir durch sie miteinander verwandt. Dies ist die Chance, die in jedem von uns steckt. Wie fremd und abstoßend auch das unbekannte Gegenüber erscheint, es ist ein Teil von uns. Denn wir alle haben gemeinsame Vorfahren. Sei es der fundamentale Ritter, der heute im Salafisten seine Ausprägung findet, oder der aufgeklärte Byzantiner, der nun vielleicht ohne Anklage in einem Gefängnis in Istanbul sitzt. Es gibt viele Möglichkeiten, das Fremde der anderen in uns selbst zu entdecken und auf diese Weise vertraut zu machen. Wir wählten dazu den Weg der Kunst und wünschen Ihnen viel Vergnügen, diesen Weg nachzugehen!

Mireille Jautz und Stefan Krüger Wiesbaden – Köln am 28.01.2018

  • 2. Auflage à 25 Bücher
  • Handsigniert und durchnummeriert von beiden Künstlern
  • Erscheinungsjahr 2018
  • 46 Seiten im hardcover
  • Für 25 Euro erhältlich

2000 bis 2008

Mireille Jautz

Katalog mit Arbeiten aus unterschiedlichen Serien

  • Erscheinungsjahr 2008
  • 48 Seiten
  • Englisch und Deutsch
  • Für 5 Euro erhältlich